... Leitkultur für alle
Art. 4 Absatz 1 und 2 im Grundgesetz garantiert die Unverletzlichkeit der Freiheit des Glaubens, des Gewissens und der Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Die ungestörte Religionsausübung soll damit gewährleistet werden. Darüber hinaus haben die Eltern das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen (Art. 7 Abs. 2 Grundgesetz).
Religionsunterricht: Kreuz und Koran
Die Schule ist verpflichtet, unterschiedliche religiöse Vorstellungen von Eltern und Schülern zu respektieren.
Am konfessionsgebundenen Religionsunterricht nehmen die Schüler des entsprechenden Bekenntnisses teil. Als katholischer Schüler musst du also nicht gegen deinen Willen am evangelischen Religionsunterricht teilnehmen oder umgekehrt.
Tipp
Grundsätzlich müssen konfessionsgebundene Schüler nicht dem Religionsunterricht beiwohnen. Allerdings haben sie dann keine Freistunde, sondern müssen alternativ am Ethikunterricht teilnehmen, der stattdessen an den meisten Schulen angeboten wird.
Befinden sich an der Schule größere Gruppen von Schülern einer bestimmten Religionszugehörigkeit oder Konfession, muss ihnen entsprechender Religionsunterricht angeboten werden. Muslime unterrichten üblicherweise ihre Schüler an eigenen Koranschulen. Einige Bundesländer planen, muslimischen Religionsunterricht in deutscher Sprache anzubieten.
Abmeldung vom Religionsunterricht
Eine schriftliche Erklärung eines sorgeberechtigten Elternteiles reicht aus, um dich von der Teilnahme am Religionsunterricht abzumelden.
Wenn du schon über 14 Jahre alt bist, bist du religionsmündig und kannst selbst über deine Teilnahme am Religionsunterricht entscheiden und dich gegebenenfalls ohne den Segen deiner Eltern abmelden.
Die Abmeldung muss in beiden Fällen nicht begründet werden. Wenn du allerdings ohne dich abzumelden nicht am Religionsunterricht teilnimmst, riskierst du ein Bußgeld wegen Schulpflichtverletzung.
Tipp
In Bayern und Saarland können sich Schüler erst mit 18 Jahren selbständig aus dem Religionsunterricht zurückziehen. Vorher brauchen sie dazu den Segen ihrer Eltern.
Möchten Schüler ohne religiöses Bekenntnis dagegen am Religionsunterricht teilnehmen, müssen sie dies beantragen.
Wer "Reli" schwänzt ...
Wenn du dich vom Religionsunterricht abgemeldet hast, musst du beispielsweise in Bayern dafür am Ethik-Unterricht teilnehmen. Berliner Schüler hingegen können sich freuen, weil sie statt des Religionsunterrichtes frei haben.
Hattest du dich zum Beginn des Schuljahres nicht vom Religionsunterricht abgemeldet, gilt dieses Fach als Pflichtfach. Das Grundgesetz bestimmt, dass "der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen ordentliches Lehrfach ist" (Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz). Dies verpflichtet den Staat, Religionsunterricht im Lehrplan vorzusehen. Für dich besteht dann eine Teilnahmepflicht.
Tipp
Eine Abmeldung vom Ethik-Unterricht ist nicht möglich.
... sündigt
Schwänzen kann wie bei jedem anderen Fach sanktioniert werden. So kann dich eine schlechte Note im Fach Religion sogar die Versetzung kosten. Außerdem können dir Bußgelder (bei Volljährigkeit) oder für deine Erziehungsberechtigten drohen.
Religiöse Feste
Als Schüler mit entsprechendem Bekenntnis hast du ein Recht auf Beurlaubung vom Unterricht zur Teilnahme an religiösen Feiern oder Zeremonien, wenn das Fest für dich eine besondere Bedeutung hat.
Beispiel
Ein aktiver evangelischer Schüler möchte die Konfirmation seines Cousins feiern und beantragt einen Tag Unterrichtsbefreiung.
Tipp
Einen Antrag auf Beurlaubung können nicht nur christliche Schüler, sondern auch Schüler, die anderen Religionsgemeinschaften angehören, stellen.
Voraussetzung für die Unterrichtsbefreiung ist, dass deine religiöse Tradition diesen Feiertag zu begehen vorschreibt und sich deine Zugehörigkeit zu der entsprechenden Religionsgemeinschaft nachvollziehbar feststellen lässt.
Beispiel
Eine muslimische Schülerin möchte mit ihrer Familie mit dem traditionellen Ramadan-Fest den Abschluss des Fastenmonats feiern und stellt einen Antrag auf Beurlaubung. Diesem Antrag wird entsprochen.
Schüler sind wegen des Grundrechtes der Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht verpflichtet, an Schulgottesdiensten-, andachten-, oder -gebeten teilzunehmen.
Wer an Schulgottesdiensten nicht teilnimmt, steht üblicher Weise während dieser Zeit in der Schule unter Aufsicht eines Lehrers.
Kopftuch und Co
Die Schule hat das Neutralitätsgebot zu erfüllen und darf nicht gezielt für bestimmte politische oder religiöse Anschauungen werben. Auch Lehrkräften ist es nicht erlaubt, Schüler zu indoktrinieren, d.h. in einer keinen Widerspruch duldenden Weise beeinflussen. Trotzdem dürfen sie ihre private Meinung vertreten und zur Diskussion stellen.
Durch bestimmte Kleidung ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion zu zeigen, ist für Lehrkräfte meist unzulässig.
Tipp
So haben zahlreiche Länder, z. B. Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen in ihren Landesgesetzen das Tragen eines Kopftuches durch die Lehrerin und vergleichbare religiöse, weltanschauliche oder politische äußere Bekundungen untersagt.
Schülerinnen dagegen dürfen ein Kopftuch tragen, da sie keinen Erziehungsauftrag haben und für sich keine Autorität in Anspruch nehmen. Das Neutralitätsgebot gilt für sie daher nicht.
Das Kreuz mit dem Kreuz
Das Bundesverfassungsgericht hat einen in Bayern lange schwelenden Streit durch Urteil beendet: Religionsfreiheit bedeutet nach Ansicht der Verfassungsrichter, niemand gegen seinen Willen religiösen Symbolen auszusetzen - zumindest nicht in einem staatlich kontrollierten und nicht beliebig zu verlassenden Bereich, wie der Schule.
Gegen das Kreuz als christliches Symbol in bayerischen Klassenzimmern ist nun auf Grund des bayerischen Schulgesetzes ein Widerspruch beim entsprechenden Schulleiter möglich. Dieser hat eine Lösung herbei zu führen, die der Glaubensfreiheit des Widersprechenden entspricht.
Religion contra Sport?
Grundsätzlich ist es muslimischen Mädchen aus religiös-traditionellen Gründen nicht erlaubt, sich ohne Kopftuch und Körperverhüllung Angehörigen des anderen Geschlechts zu zeigen.
Deshalb wenden sich gegen die Teilnahme am Sportunterricht aus moraltheologischen Gründen muslimische Schülerinnen und deren Eltern, weil die Mädchen
- in der normalen, leichten Sportkleidung am Turn- oder Schwimmunterricht teilnehmen oder
- mit Jungen zusammen Sport treiben (koedukativer Unterricht) müssen
und berufen sich auf die Bekleidungsvorschrift des Koran und den grundgesetzlich garantierten Rechten auf Glaubensfreiheit und Erziehung.
Auf eine Befreiung vom Sportunterricht können Eltern hingegen bestehen, wenn
- ein nach Geschlechtern getrennter Sportunterricht aus organisatorischen Gründen an der Schule nicht möglich ist und
- die Glaubens- und Gewissensnot konkret, substantiiert und objektiv nachvollziehbar begründet ist
Viele Schulen erteilen die Befreiung trotzdem nicht und berufen sich auf den im Grundgesetz verankerten Erziehungs- und Bildungsauftrag des Staates (Art. 7 Abs. 1 Grundgesetz). Aus der daraus resultierenden Schulpflicht ergibt sich auch der Sportunterricht als Pflichtfach, an dem grundsätzlich alle Schüler teilzunehmen haben.
In vielen Rechtsstreiten versuchen die Gerichte einen schonenden Ausgleich zwischen den beiderseitigen Interessen zu finden. Danach sollen in den Schulen alle organisatorischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Gewissenskonflikte zu bereinigen.
Die Schulen sollten wenn möglich
- den Sportunterricht nach Geschlechtern getrennt anbieten,
- muslimischen Schülern eine züchtige Sport- und Schwimmbekleidung gestatten oder
- im Einzelfall eine Befreiung von bestimmten, für unkeusch gehaltene Sportübungen zulassen.
Halten sich die Schule an diese Regeln, muss sie nicht jeder Sitten- und Moralvorstellung verschiedener Eltern folgen und Befreiungen erteilen.
Doch selbst wenn organisatorische Hemmnisse einem getrennten Unterricht entgegen stehen, kommt eine Befreiung nur in Betracht, wenn der Schüler glaubhaft darlegen kann, dass
- eine verbindliche Glaubensvorschrift ihn daran hindert, am Sportunterricht teilzunehmen und
- er sich auch sonst an die Gebote der Religionsgemeinschaft hält.
Religiöse Gründe gelten bei der Befreiung von anderen Unterrichtsfächern jedoch nicht.
So entschied das Verwaltungsgericht Hamburg beispielsweise, dass auch eine streng muslimische Erziehung kein Grund für eine Befreiung vom Sexualkundeunterricht ist. Denn der Erziehungsauftrag des Staates ist dem Erziehungsrecht der Eltern gleichgestellt.
Die Teilnahme an mehrtägigen Schulfahrten und Wanderungen ist speziell geregelt. Dein Schulsekretariat gibt grundsätzlich hierüber Auskunft. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus den entsprechenden Rechtsverordnungen (Bayern) oder Verwaltungsvorschriften (alle anderen Bundesländer).